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Größen der Sozialdemokratie Detailseite

Willy Brandt

Bundesarchiv

Parteivorsitzender, Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger

Willy Brandt in seiner ersten Regierungserklärung als Bundeskanzler am 28. Oktober 1969:

Wir wollen mehr Demokratie wagen.

Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden, im Innern und nach außen.

"Wir wollen mehr Demokratie wagen"

Willy Brandt (sein Geburtsname war Herbert Frahm, den Namen Willy Brandt nahm er erst in der Emigration an) wurde am 18. Dezember 1913 in Lübeck als unehelicher Sohn einer 19-jährigen Konsumverkäuferin geboren und wuchs bei seinem Großvater, einem sozialdemokratischen Arbeiter aus Mecklenburg, auf. Bereits als Kind in sozialdemokratischen Organisationen zu Hause, begann er als 15-jähriger in der Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) seine politische Funktionärskarriere und wurde 1930 Parteimitglied. 1932 legte er das Abitur ab und trat als Volontär in eine Lübecker Schiffsmaklerfirma ein. Im Oktober 1931 hatte er sich von der SPD getrennt und war zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) übergetreten. Ende März 1933 floh Brandt zunächst nach Dänemark, dann nach Oslo, wo er die illegale Arbeit der SAP in Deutschland unterstützte und als Journalist arbeitete. 1936 hielt er sich mehrere Monate illegal in Deutschland auf, 1937 in Barcelona, von wo er über den Spanischen Bürgerkrieg berichtete.

Politisches Exil während der NS-Diktatur

1940 flüchtete Willy Brandt nach Schweden, im gleichen Jahr wurde er norwegischer Staatsbürger. 1944 schloss er sich in Stockholm wieder der SPD an. Beeinflusst vom undogmatischen freiheitlichen Volkssozialismus der nordischen Länder sah er in der SPD die Kraft, die alle demokratischen Kräfte des Sozialismus würde integrieren können. Gleichzeitig entwarf er die Perspektiven einer friedlichen Neuordnung Europas nach der Niederschlagung des deutschen Faschismus. 1945 kehrte er nach Oslo zurück und arbeitete als Korrespondent skandinavischer Zeitungen; 1947 wurde er als Presseattaché der norwegischen Militärmission beim Alliierten Kontrollrat in Berlin tätig.

1948 ernannte ihn der SPD-Vorstand zu seinem Vertreter in Berlin; im gleichen Jahr nahm er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an. Mandate im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus bereiteten seine Wahl 1957 zum Regierenden Bürgermeister von Berlin vor, ein Amt, das er bis 1966 innehatte.

Zeitlich etwas verschoben und von Rückschlägen begleitet, begann sein Aufstieg in der Bundespartei (1958 Vorstandsmitglied, 1962 stellvertretender Vorsitzender) als einer der Exponenten des Reformflügels. Für diesen Flügel galt die Verbindung zwischen parlamentarisch-repräsentativer Demokratie und Sozialismus als unaufhebbar; Nation und Europa wurden als aufeinander bezogen begriffen; die Interdependenzen der weltpolitischen Entwicklung fanden in der politischen Strategie Berücksichtigung. In dieser Zeit gewann Brandt das Profil eines pragmatischen Visionärs. Es zeichnete ihn ein ungewöhnliches Gespür für Zeitströmungen und die Gabe der Integration verschiedener politischer Richtungen in seiner Partei aus. Zweimal, 1961 und 1965, scheiterte er als Kanzlerkandidat der SPD, die ihn 1964 zu ihrem Bundesvorsitzenden wählte. 1966 trat die SPD mit der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) und der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU) in eine Große Koalition ein. Brandt wurde Vizekanzler und Außenminister und bereitete jene Politik vor, die als seine große historische Leistung angesehen wird.

Bundeskanzler der sozialliberalen Koalition

1969 bildete die SPD mit der FDP eine Koalition mit Brandt als Bundeskanzler. Er setzte nun die Marksteine der Ostpolitik, mit der die Bundesrepublik die Konsequenzen aus dem vom nationalsozialistischen Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg zog, zu einem geregelten Miteinander mit den Staaten und Völkern Osteuropas und zu einer Verbesserung der Verhältnisse in Deutschland zu kommen suchte. Voraussetzung für diese Friedens- und Verständigungspolitik blieb jedoch für ihn die verlässliche Partnerschaft mit dem Westen. Es gelang ihm aber auch gegen erheblichen Widerstand in seiner Partei, die Nachkriegsgeneration der 68er antiautoritären Bewegung für die Republik zu gewinnen und entscheidende Weichen zu stellen für die Entledigung von dem Ballast des Obrigkeitsstaates und für die Wandlung der Bundesrepublik zu einem aufgeklärten Bürgerstaat unter der Devise "mehr Demokratie wagen".

Auch seiner Partei hat er die Impulse gegeben, sich von den letzten Resten ihres Traditionalismus zu lösen: Demokratischen Sozialismus und konsequent verwirklichte Demokratie forderte er auf, als dasselbe zu betrachten, und bekannte, dass neben dem Frieden ihm wichtiger als alles andere die Freiheit sei. Seinen Patriotismus verstand er als "eine Haltung, die die europäische und weltpolitische Verantwortung" einschloss.

Wiederwahl, Friedensnobelpreis und Rücktritt

Nach den Bundestagswahlen von 1972, die seine Politik bestätigten, wurde Brandt zur charismatischen Leitfigur, zum Symbol eines besseren Deutschland, zum großen, international respektierten (und 1971 mit dem Friedensnobelpreis geehrten) Staatsmann. Zwei Jahre später, am 6. Mai 1974, trat er als Bundeskanzler zurück; Anlass war die Spionage-Affäre um den DDR-Agenten Günter Guillaume, der zu Brandts Mitarbeitern gehört hatte. Diesen Rücktritt hat Brandt später als falsch angesehen.

Brandt blieb Vorsitzender der SPD, die er zu einer modernen, sozialen Bündnissen sich öffnenden Volkspartei zu gestalten führend mithalf. Als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale (seit 1976) hat er entscheidend beitragen können zur Demokratisierung Südeuropas (Portugal, Spanien, Griechenland). 1977 übernahm er den Vorsitz der Unabhängigen Kommission für internationale Entwicklungsfragen (die sogenannte Nord-Süd-Kommission), mit der er mit Unterstützung durch Olof Palme, Gro Harlem Brundtland und Bruno Kreisky Entwicklungsstrategien für solidarisches globales Handeln entwarf.

Im Juni 1987 legte Brandt nach 23 Jahren den Vorsitz der SPD nieder; er wurde Ehrenvorsitzender der SPD und behielt auch sein Bundestagsmandat. 1989 rückte er noch einmal in den Mittelpunkt der Politik, als er, der sich zeitlebens als deutscher Patriot und zugleich Weltbürger verstanden hatte, zu einem der Motoren für die deutsche Vereinigung wurde. Sein erklärtes Ziel war es, in Deutschland und in Europa "neu zusammenwachsen [zu]lassen, was willkürlich und gewaltsam voneinander getrennt worden war", so in seiner letzten Rede im Deutschen Bundestag am 12. März 1992.