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2013 | Progressive Alliance

22. Mai 2013
Die Geburtsstunde der Progressive Alliance
"Ein andere Welt ist möglich!" Khalil Essaouie lädt die Versammelten nach Tunesien ein: zur nächsten, dann der zweiten Versammlung der Progressive Alliance. Sein Land, sein Volk und besonders die Jugend nicht nur in Nordafrika habe auf eine solche Organisation geradezu gewartet.
Beatriz Talegón, Vorsitzende der International Union of Socialist Youth – sie ist Südamerikanerin –, bestätigt das: "Wir rufen, wir schreien!" Nach Gerechtigkeit, nach Chancen, nach Arbeit, nach Rechten.
"Diese Welt ist nicht gut", gibt Michael Sommer den Ton vor. Er ist nicht nur als Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nach Leipzig gekommen, sondern vor allem als Vorsitzender der ITUC, des globalen Zusammenschlusses freier und unabhängiger Gewerkschaften.
Geschichte im Schwimmbad
Sommer ermuntert die Vertreter*innen von rund 80 sozialdemokratischen, sozialistischen und progressiven Parteien, sich zusammenzutun und eine weltweit agierende politische Lobby von Arbeitnehmerinteressen zu bilden: "Wenn es Euch nicht gibt, sind unsere Chancen relativ schlecht." Die Chancen, überall auf der Welt für gerechte Löhne, Sicherheit am Arbeitsplatz, eine gesunde Umwelt und Wege zu sozialem Aufstieg zu kämpfen.
Im Historischen Stadtbad Leipzig, dort, wo einst nur Männer schwimmen durften – das Becken für Frauen war kleiner –, "erleben wir Geschichte", ruft Caroline Genez namens der PES, der Europäischen Sozialdemokraten, den Versammelten zu.
Große Worte – dabei gibt es doch bereits die Sozialistische Internationale. Die SI kann sich immerhin auf eine Tradition berufen, die bis zu Karl Marx, Friedrich Engels und Wilhelm Liebknecht zurückreicht. Aber wichtige demokratische und sozialliberale Parteien in Amerika, Afrika, Asien sind ihr nie beigetreten. Jetzt und hier, in Leipzig, sind sie dabei: die Akbayan Citizens' Party aus den Philippinen, der Indian National Congress aus Indien – der sich auf Mahatma Gandhis Friedensbotschaft beruft –, Barack Obamas und Bill Clintons Demokraten aus den USA.
Diesmal sind auch die USA dabei
In deren Namen trägt Howard Dean in Leipzig eine veritable Ode an die Europäische Union vor. Nirgendwo auf der Welt gebe es einen besseren Verbraucherschutz, bessere Arbeitsbedingungen, besseren Umweltschutz: "Diese Union ist zu wichtig, um sie aufzugeben!" Eine Mahnung an die Europäer, sich jetzt nicht abzuwenden von der EU.
Harlem Désir von der Sozialistischen Partei Frankreichs nimmt den Ball auf und verspricht, Europa nicht den Neoliberalen und den Populisten zu überlassen: "Wir brauchen eine Wirtschaftsregierung der EU!" Désir lässt keinen Zweifel daran, dass die Stärkung und damit die Rettung Europas nur von Sozialdemokraten und Sozialisten ausgehen kann.
Es sei höchste Zeit, sich international unterzuhaken und eine globale Politik wider den enthemmten Finanzkapitalismus zu formulieren. Gegen den "Brutalkapitalismus", in Michael Sommers Worten. Howard Dean macht klar, man habe nichts gegen Unternehmer, im Gegenteil: "Wir wollen den Multinationalen helfen, bessere Weltbürger zu werden."
"Heute wächst zusammen, was zusammengehört"
Das gefällt Ousmane Tanor Dieng aus dem Senegal wie auch Jesus Zabrano aus Mexico, Shelly Yachimovich aus Israel wie Nabil Shaath aus Palästina. Und Harlem Désir zitiert, auf Deutsch, Willy Brandt: "Heute wächst zusammen, was zusammengehört."
Die SI habe sich leider zuletzt immer wieder als zahnlos erwiesen, bedauert Sommer. Sigmar Gabriel ärgert es seit längerem, dass der SI auch Parteien angehören, die als Befreiungsbewegungen begonnen haben, aber sich längst von demokratischen Idealen verabschiedet haben. Auf seine Anregung geht die Gründung der PA zurück.
Bis zuletzt hat allerdings niemand im Willy-Brandt-Haus damit gerechnet, dass schließlich 80 Parteien aus allen Himmelsrichtungen hochrangige Repräsentanten nach Leipzig schicken würden. Rasch musste ein größerer Saal gefunden werden. So ist das alte Stadtbad zu historischen Ehren gekommen.
Sigmar Gabriel, nicht ohne Stolz: "Eigentlich fehlen nur noch der Nord- und der Südpol." Besonders bemerkenswert, dass auch Evangelos Venizelos gekommen ist, namens der griechischen PASOK. Sein Parteifreund Papandreou ist Vorsitzender der SI.
Alle Delegierten setzen nach drei Stunden Reden ihre Unterschriften unter die drei Grundwerte, die auch die Grundwerte der SPD sind: "Freedom, Justice, Solidarity". Die Progressive Alliance ist gegründet.