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Asylreform
Antworten zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Über zwanzig Jahre wurde auf europäischer Ebene um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gerungen. Nun ist es nach schwierigen Verhandlungen gelungen, im Europäischen Rat eine Einigung über die Kernstücke einer solche Reform zu erreichen.
Was die Einigung für Geflüchtete konkret bedeutet und welche Behauptungen dazu falsch sind, erklären wir in unserem FAQ.
Richtig ist: Das Grundrecht auf Asyl ist in der Europäischen Grundrechtscharta fest verankert (Artikel 18). Wie in Deutschland an das Grundgesetz, so sind alle Rechtssetzungsakte der EU hieran auch gebunden. Deshalb wird das Recht auf Asyl durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht eingeschränkt. Menschen, die in der EU ankommen, haben weiter in jedem Fall die Möglichkeit, Asyl zu beantragen. Ihre Asylanträge werden geprüft und Menschenrechte müssen eingehalten werden. Die Herausforderung ist, dass die Vereinbarungen für eine Neuausgestaltung des Asylverfahrens dem in der Praxis auch gerecht werden. Deshalb fordern wir nicht nur, dass die Umsetzung auf Grundlage klarer Umsetzungsprotokolle für die anwendenden Mitgliedstaaten erfolgt. Die Umsetzung und die Anwendungspraxis müsen zudem mit einem engen Monitoringverfahren überwacht werden. Das neue Verfahren muss die Lage für die Menschen in den Einrichtungen in den Außengrenzstaaten effektiv verbessern. Das ist der Maßstab für unsere Akzeptanz der neuen Praxis.
Richtig ist: Die EU ist ein Verbund von Staaten, die sich alle hohen gemeinsamen rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet haben. Deshalb sind grundsätzlich alle Mitgliedstaaten in der Lage, so wie in Deutschland, ordentliche Asylverfahren durchzuführen. Im Grundsatz sind zudem bereits heute jene Mitgliedstaaten für die Durchführung der Asylverfahren zuständig, über die die AntragstellerInnen als erstes eingereist sind. So werden auch künftig in den jetzt vereinbarten Außengrenzverfahrenen Asylanträgen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geprüft werden. Neu ist, dass diejenigen, deren Anträge eine hohe Wahrscheinlichkeit auf positive Bescheidung haben, von hier aus auf andere Mitgliedstaaten durch einen verpflichtenden Mechanismus auf andere Mitgliedsstaaten verteilt werden. Hier wird sodann das ordentliche Verfahren durchgeführt. Dieser solidarische Verteilmechanismus ist sehr wichtig und war sehr lange sehr streitig.
Neu ist auch, dass diejenigen, deren Antrag ad hoc keine hohe Wahrscheinlichkeit auf einen positiven Bescheid aufzeigt, schon im Einreisestaat ein Asylverfahren durchlaufen. Aber auch hier bleibt es bei allen rechtsstaatlichen Voraussetzungen für dieses Grenzverfahren. Unsere Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat durchsetzen können, dass auch in diesem sogenannten Grenzverfahren die Betreffenden über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistands zwingend zu informieren sind. Auch hat sie durchgesetzt, dass der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung sichergestellt sein muss. Damit ist in jedem Fall gewährleistet, dass keine Rückführung ohne eine richterliche Kontrolle stattfindet.
Richtig ist: Ein sicherer Drittstaat kann nur ein Staat sein, der die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ratifiziert hat bzw. grundlegende Standards des Flüchtlingsrechts garantiert. In der GFK werden die Rechte von Flüchtlingen, wie zum Beispiel das Recht auf Bildung und das Recht zu arbeiten umfassend geregelt. Damit wird auch sichergestellt, dass kein Mensch in ein Land zurückgewiesen werden darf, in dem ihm politische Verfolgung oder eine unmenschliche Behandlung droht (nonrefoulement).
Hinweis am Rande: Bei dem EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei wurde diese nicht als sicherer Drittstaat eingestuft. Zwar hat die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnet, allerdings nicht das Zusatzprotokoll von 1967*. Mit Blick auf das vorhandene Asylsystem der Türkei wendet die EU das Konzept des Ersten Asylstaats an (Art. 35 AsylVerf-RL). Weil die Türkei kein sicherer Drittstaat ist, sieht dieses Konzept vor, dass vor einer Rückkehr von Schutzsuchenden in Richtung Türkei, zuvor immer geprüft werden muss, ob die betreffende Person dort ein faires Asylverfahren erwarten kann (was aktuell wohl nicht angenommen werden kann, wenn es sich bspw. um Kurden handelt).
*Um den geänderten Bedingungen von Flüchtlingen weltweit gerecht zu werden, wurde der Wirkungsbereich der Konvention mit dem Protokoll von 1967 sowohl zeitlich als auch geografisch erweitert.
Richtig ist: Die Grenzverfahren nach der Asylverfahrens-Verordnung werden an den Außengrenzen ausschließlich von EU-Mitgliedstaaten auf deren Hoheitsgebiet und nicht außerhalb der EU durchgeführt. In diesen Asylverfahren gelten zukünftig die Anforderungen der weiterentwickelten Aufnahme-Richtlinie, an die sich alle Mitgliedstaaten halten müssen. Zum Beispiel müssen materielle Leistungen einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen, die medizinische Grundversorgung muss gewährleistet und Zugang zu Bildung möglich sein. Ob diese Standards in den Mitgliedstaaten eingehalten werden, überwachen die nationalen Gerichte und letztlich der Europäische Gerichtshof sowie die Europäische Kommission.
Unsere Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat durchsetzen können, dass auch in diesem sogenannten Grenzverfahren die Betreffenden über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistands zwingend zu informieren sind. Auch hat sie durchgesetzt, dass der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung sichergestellt sein muss. Damit ist in jedem Fall gewährleistet, dass keine Rückführung ohne eine richterliche Kontrolle stattfindet.
Richtig ist: Es gibt bereits jetzt Rückübernahmeabkommen der Europäischen Union mit andere Staaten, zum Beispiel mit der Türkei, Pakistan und Sri Lanka. Aktuell verhandelt die Europäische Kommission mit einer Reihe von Herkunftsländern über weitere Abkommen und arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten an der Verbesserung der Kooperation mit den Herkunftsländern.
Für Deutschland kümmert sich der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen im Bundesministerium des Innern und für Heimat in enger Abstimmung mit unseren europäischen Partnern intensiv darum, die Zusammenarbeit mit Herkunftsländern im Migrationsbereich und damit auch bei der Rückübernahme eigener Staatsangehöriger zu verbessern.
Richtig ist: Grenzverfahren sollen nur bei Personengruppen durchgeführt werden, deren Anerkennungswahrscheinlichkeit nicht ad hoc erkennbar ist. Zudem gilt das Verfahren für solche Personen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellen, die die Behörden bereits einmal getäuscht haben.
Wichtig: Auf unbegleitete Minderjährige wird das Außengrenzverfahren grundsätzlich nicht angewendet. Zur Gewährleistung des Kindeswohls wird ihr Verfahren nicht an der Grenze durchgeführt. Die SPD drängt in den weiteren Verhandlungen darauf, weitere vulnerable Gruppen von diesem Grenzverfahren auszuschließen, insbesondere alle Familien mit Kindern.
Die zahlenmäßigen Kapazitäten für die Grenzverfahren sind beschränkt und es ist eine Kappungsgrenze vorgesehen. So wird einer Überlastung der Aufnahmekapazitäten vorgebeugt. Das Grenzverfahren ist außerdem zeitlich begrenzt, was einer Überlastung ebenfalls entgegenwirkt.
Eine Unterbringung unter menschenwürdigen Bedingungen muss immer gewährleistet sein. Besondere Bedarfe verletzlicher Personen müssen berücksichtigt werden. Wenn diese Bedarfe nicht berücksichtigt werden können, müssen die entsprechenden Personen aus den Grenzverfahren herausgenommen werden. Dies könnte z.B. ältere Menschen, Schwangere oder Menschen mit Behinderungen betreffen.
Das Außengrenzverfahren und das damit einhergehende Prinzip der Nichteinreise kann nicht mit Haft gleichgesetzt werden. Haft bedeutet Freiheitsentziehung, d.h. das Verbot einen Ort zu verlassen. Das ist im Rahmen des Außengrenzverfahrens nicht der Fall. Es wird allein die Einreise in die Europäische Union verhindert. Die Ausreise in Drittstaaten bleibt weiterhin möglich.
Richtig ist: Dass unbegleitete Kinder und Jugendliche aus dem verpflichteten Grenzverfahren herausgenommen werden, dient gerade dazu, ihren besonderen Schutzbedürfnissen Rechnung zu tragen. Das Wohl des Kindes spielt immer eine wichtige Rolle und steht nicht zur Disposition.
Richtig ist: Deutschland setzt sich weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass das Sterben im Mittelmeer beendet wird. Nicht zu handeln würde bedeuten, das Elend an den Außengrenzen und das Sterben im Mittelmeer weiter zuzulassen. Deshalb gilt für uns: Wir bekämpfen Fluchtursachen und keine Flüchtlinge. Das Sterben im Mittelmeer muss aufhören. So ist die Seenotrettung eine Verpflichtung aus dem internationalen Seerecht und darf nicht kriminalisiert, sondern muss auch staatlich durch die EU gewährleistet werden. Zudem fordern wir bei der Gewährleistung des Außengrenzschutzes der EU die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften. Seit Jahren steht hier die Grenzschutzagentur Frontex begründet in der Kritik. Wir stellen klar: Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Ein Tolerieren durch oder gar eine Beteiligung von Behörden der Mitgliedsstaaten oder von Frontex darf es nicht geben. Damit die EU-Außengrenzen rechtsstaatlich und sicher sind, braucht es weiterhin eine umfassende Prüfung der systematischen und strukturellen Probleme der größten EU-Agentur.
Richtig ist: Nach jahrelangem Streit haben sich die Innenministerinnen und –minister der EU in der vergangenen Woche auf Eckpunkte für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geeinigt. Man hat sich politisch auf Grundzüge für Verordnungen verständigt, die das Asylverfahren und die Verteilung der Schutzsuchenden auf die Mitgliedstaaten neu regeln. Es ging dabei – anders als bisher – um unmittelbar geltendes Recht, das künftig wortgleich in allen Mitgliedstaaten der EU gelten soll. Dieser Kompromiss wird nationale Spielräume einschränken, die noch viel zu oft zum Nachteil der Schutzsuchenden genutzt und teils auch bewusst als Mittel zur Abschreckung eingesetzt werden. Diese zynische Praxis ist mitursächlich für die oft unwürdige und prekäre Lage geflüchteter Menschen in einigen Mitgliedstaaten der EU. Auch weil damit künftig Schluss sein wird, waren die Verhandlungen hart und ist diese Verständigung im europäischen Kontext keine Selbstverständlichkeit. Zugleich garantiert dieser Weg ein Europa der offenen Grenzen innerhalb der Europäischen Union. Es ist zu begrüßen, dass die EU-Mitgliedsstaaten sich auf einen verpflichtenden und solidarischen Verteilmechanismus verständigen konnten, der seine Wirksamkeit in der Praxis noch erweisen muss.
Richtig ist: Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass sich die Bundesregierung für eine grundlegende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems einsetzt. Ziel war und ist eine Balance zwischen Verantwortung und Solidarität. Hierfür hat sich die Bundesregierung von Anfang an eingesetzt - auch in den europäischen Verhandlungen, die nun zu einer Einigung geführt werden konnten.
Zudem sorgen wir auch in Deutschland weiter dafür, dass wir ein modernes Einwanderungs- und Integrationsland sind. Dafür haben wir u.a. das Chancenaufenthaltsgesetz geschaffen, das vielen langjährig Geduldeten erstmals eine echte Aufenthaltsperspektive gibt. Auch mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der enthaltenen Beschäftigungs- und Ausbildungsduldung haben wir neue Wege beschritten. Und nicht zuletzt schaffen wir mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und der generellen Möglichkeit der Mehrstaatigkeit einen lang überfälligen Paradigmenwechsel hin zu einer modernen Einwanderungsgesellschaft, die Vorbild für unsere europäische Staatengemeinschaft sein kann und sollte.
Resolution des Parteivorstandes
Für eine solidarische europäische Flüchtlingspolitik
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