Hitler ist seit einer Woche tot, Europa liegt in Trümmern, der Zweite Weltkrieg ist noch nicht überall beendet. Eben noch haben fanatische SS-Truppen Jagd auf "Verräter" gemacht, haben Standgerichte vermeintliche "Wehrkraftzersetzer" und "Fahnenflüchtige" gehenkt, da organisieren Mutige in Hannover bereits den Wiederaufbau der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Eine hagere Gestalt, von Krieg und Haft zum Krüppel gemacht, entwirft die Vision eines anderen, eines besseren Deutschlands, eines zugleich demokratischen und sozialistischen Landes. Demokratie und Sozialismus: Das eine ist ohne das andere für Kurt Schumacher nicht vorstellbar. Tausende zieht er mit seinen Reden in den Bann, Hunderttausenden gibt er neue Hoffnung.
Geprägt vom Widerstand gegen Hitler
Im Mai 1946 findet in Hannover der erste Parteitag der SPD in den Westzonen statt. Kurt Schumacher wird zum Vorsitzenden gewählt, Erich Ollenhauer wird sein Stellvertreter.
Schumacher kam aus dem KZ, Ollenhauer aus dem Exil – wie Willy Brandt, Herta Gotthelf, Ernst Reuter, Martha Fuchs, Willi Eichler, Heinz Kühn oder Waldemar von Knoeringen. Sie alle hat nicht nur der Widerstand gegen Hitler geprägt, sondern auch das Erlebnis gefestigter Demokratien – vor allem in Großbritannien und Skandinavien (Reuter hatte in der jungen Türkei Atatürks Asyl gefunden). Auch Elisabeth Selbert wird im Mai 1946 in den Parteivorstand gewählt. Sie ist eine der „Mütter des Grundgesetzes“.
Die im Westen wieder entstehende SPD ist anders als die Partei, die 1933 zerschlagen worden ist. Es geht ihr nun nicht mehr um die Schaffung einer "Gegenwelt" zu einer von "bürgerlichen" Kräften geprägten Gesellschaft. Deutschland hat in zwölf Jahren Diktatur und Indoktrination seinen zivilen Halt und sein geistiges Fundament verloren. Die berühmte letzte Rede von Otto Wels im Reichstag klingt noch nach. Noch ist nicht vergessen, wie die "bürgerlichen" Parteien im Angesicht des Nationalsozialismus versagt und die Demokratie verraten haben. Jetzt, nach dem Ende des Krieges, gilt es, die Welt insgesamt neu zu gestalten.