arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

III. Ein starkes Europa in der Welt

III. Ein starkes Europa in der Welt

Schlagworte: Frieden, Menschenrechte, Freiheit, Demokratie

Die Zunahme an Konflikten in der Welt führt schon jetzt dazu, dass Menschen bei uns Schutz oder ein besseres Leben suchen, sie führt zu steigenden Preisen und Lieferengpässen. Die Regeln und Institutionen der globalen Zusammenarbeit stehen immer mehr unter Druck, und der Krieg in der Ukraine hat die europäische Sicherheitsarchitektur ernsthaft erschüttert.

„Ein wachsendes Europa muss ein besseres Europa sein.“

Wir brauchen deshalb ein starkes Europa, das unsere gemeinsamen Werte Frieden, Freiheit und Demokratie verteidigt und sich als Friedensmacht in der Welt engagiert. Ein Europa, das auch international gegen Armut und Ausgrenzung und für Frieden, Entwicklung und Menschrechte eintritt. Die Erweiterungspolitik der EU ist ein Instrument von enormer transformativer Kraft. Ein wachsendes Europa muss ein  besseres Europa sein. Das Europa von 35 und mehr Staaten kann nicht so geführt werden, wie das heutige Europa der 27. Deshalb treten wir ein für innere Reformen, für reformierte Institutionen und schlankere Entscheidungswege. Erweiterung und Reform müssen Hand in Hand gehen.

Die Europäische Union zeigt schon jetzt, dass Kooperation uns stärker macht als Konfrontation. Deshalb gilt es, noch stärker nach Gemeinsamkeiten der Mitgliedsstaaten zu suchen und mit einer Stimme in der Welt zu sprechen. Wir werden die europäische Handelspolitik neu ausrichten und verstärkt in strategische Partnerschaften investieren – zur Sicherung wichtiger Ressourcen, aber auch um uns für friedliche Konfliktlösung, eine nachhaltige Entwicklung und ein neues Vertrauen in die internationalen Beziehungen zu engagieren. Dabei werden wir den Ländern des Globalen Südens als gleichberechtigte Partner begegnen und uns dafür engagieren, dass die feministische Perspektive stets berücksichtigt wird. Wir wollen eine solidarische Migrations- und Geflüchtetenpolitik, die Humanität und Ordnung miteinander verbindet.

Schlagworte: Verteidigung, Sicherheit, Abrüstung, NATO, Armee, Bündnis

1. Frieden in Europa verteidigen

Der russische Angriff auf die Ukraine hat Krieg zurück auf den europäischen Kontinent gebracht. Aus der Entspannungspolitik unter Willy Brandt wissen wir, dass militärische Stärke wichtig ist, um das Friedensprojekt Europa zu schützen. Deshalb wollen wir den europäischen Pfeiler in der NATO stärken und mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen. Durch die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen sowie die von Olaf Scholz angekündigte Investition in die gemeinsame Luftverteidigung (European Sky Shield Initiative, ESSI) erhöhen wir unseren Beitrag zur NATO bereits qualitativ und konzeptionell – dieses Engagement wollen wir weiter ausbauen. Gleichzeitig setzen wir als die Friedenspartei in Deutschland auch weiterhin auf Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung sowie auf Abrüstung und Rüstungskontrolle. Sicherheit und Frieden gehören untrennbar zusammen, aber Frieden ist mehr als Sicherheit. Der Dreiklang von Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik bleibt deshalb der Grundpfeiler sozialdemokratischer internationaler Politik.

„Sicherheit und Frieden gehören untrennbar zusammen, aber Frieden ist mehr als Sicherheit.“

Vision einer europäischen Armee

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben schon lange die Vision einer europäischen Armee, denn wir wissen, durch gemeinsame Investitionen und Organisation unserer Streitkräfte können wichtige Synergieeffekte erzielt werden. Im Sinne des strategischen Kompasses der Europäischen Union möchten wir, dass diese eine handlungsfähigere Sicherheitsakteurin wird. Auch wenn die NATO ihre zentrale Rolle für unsere Bündnisverteidigung behält, wollen wir Europa in die Lage versetzen, Sicherheit vor externen Bedrohungen zunehmend eigenständig zu gewährleisten. Wir setzen uns für mehr Harmonisierung in der Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten in der EU sowie die Stärkung von effizienten und gleichzeitig demokratisch legitimierten Entscheidungsstrukturen in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein. Dazu gehören für uns insbesondere auch die Einbeziehung des Europäischen Parlaments, die Stärkung des Amts des Hohen Vertreters bzw. der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und die Einrichtung eines eigenständigen Rats der Verteidigungsministerinnen und -minister.

Mehr gemeinsame europäische Beschaffung

Mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr haben wir bewiesen, dass wir bereit sind, die nötigen finanziellen Ressourcen in die Hand zu nehmen, um Europa im Bereich der Sicherheit und Verteidigung handlungsfähiger zu machen. Wir müssen sicherstellen, dass die angestoßenen Investitionen fortgeführt werden und setzen uns daher für eine nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein. Wir wollen mehr Anreize für kollaborative Ausgaben für Verteidigung auf europäischer Ebene setzen, indem wir europäische Fonds (EDF, EDIP) substanziell besser ausstatten. Wir setzen uns für mehr Transparenz in der koordinierten europäischen Verteidigungsplanung ein, damit der Druck auf Mitgliedsstaaten erhöht wird, ihre Verpflichtungen auch zu erfüllen. Ebenso wollen wir mehr Synergien zwischen den NATO- und EU-Planungsprozessen erzeugen und die verschiedenen Innovationsinitiativen besser koordinieren.

Ein europäischer Binnenmarkt für Verteidigung

Durch mehr gemeinsame Entwicklung und Beschaffung wollen wir mehr Standardisierung und Interoperabilität in Europa erreichen. Wir wollen gemeinsame Rüstungsprojekte aktiv befördern und finanziell unterstützen. Dabei setzen wir auch auf einheitlichere Zertifizierungsverfahren sowie Beschaffungszyklen. Es geht ebenso darum, Regularien in Europa zu harmonisieren, um den Transport von Verstärkungskräften an die NATO-Ostflanke zu erleichtern und zu beschleunigen. Und es geht um eine schrittweise Liberalisierung des europäischen Verteidigungsmarktes für Produkte, die nicht als nationale Schlüsseltechnologien gelten.

Abrüstung und Rüstungskontrolle aktiv verfolgen

Insbesondere in Zeiten der weltweiten Aufrüstung ist es unsere Pflicht als Europäerinnen und Europäer, Initiativen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle aktiv voranzutreiben, denn sie sind Teil einer vorausschauenden Sicherheitspolitik. Wir werden uns deshalb aktiv für ein internationales Regelwerk zu bewaffneten Drohnen einsetzen sowie Rüstungskontrolle und wirksame Regulierung in den Bereichen Biowaffen, Cyber und Künstliche Intelligenz etablieren. Wir halten an dem langfristigen Ziel einer atomwaffenfreien Welt fest.

Gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik

Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht, dass wir einen strategischeren Ansatz in unserer Rüstungsexportpolitik benötigen. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben wir jede Waffenlieferung an die Ukraine vorsichtig abgewogen. Für einen Binnenmarkt der Verteidigung ist ein Übereinkommen über Rüstungsexporte auf europäischer Ebene notwendig – unterschiedliche Regeln stehen der gemeinsamen Entwicklung und Produktion entgegen. Wir setzen uns daher für eine gemeinsame und koordinierte europäische Rüstungsexportpolitik ein, die sich an gemeinsamen Werten und strategischen Prioritäten orientiert. Europäische Rüstungsgüter dürfen nicht in die falschen Hände geraten. Wir müssen gleichzeitig unsere strategischen Partner besser und zuverlässiger unterstützen.

Schlagworte: Außenpolitik, Beitrittskriterien, Mitgliedstaaten, Rechtsstaatlichkeit, Ostseeraum

2. Eine Europäische Union für alle Europäer

Die Erweiterungspolitik der EU war und ist ein Motor für Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in Europa. Wir wollen diese Erfolgsgeschichte fortschreiben. Die Gelegenheit, unsere europäischen Nachbarn bei einer dauerhaften demokratischen Transformation zu begleiten, wollen wir nutzen, auch, damit nicht andere Akteure an die Stelle der EU treten. Denn die Erweiterungspolitik der EU ist eines der wichtigsten Instrumente der EU-Außenpolitik.

Beitritt der westlichen Balkan Staaten beschleunigen

Vor über 20 Jahren, hat die EU den Staaten des westlichen Balkans eine Beitrittsperspektive gegeben. Nach jahrelanger Verzögerung ist es nun allerhöchste Zeit, die Staaten des westlichen Balkans zügig in die Mitte unserer Gemeinschaft aufzunehmen, wenn die Beitrittskriterien erfüllt sind. Wir setzen uns generell dafür ein, dass erkennbare Zwischenschritte im Erweiterungsprozess etabliert werden und wollen prüfen, inwiefern zum Beispiel der Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt schon vor der vollständigen EU-Mitgliedschaft gewährt werden kann.

"Wir ermöglichen Menschen, die nach Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie streben, den Zugang zu unserer Wertegemeinschaft."

Ukraine als Teil der EU

Wir wollen, dass die Ukraine und Moldau ein Teil der EU werden, sobald sie die Aufnahmekriterien erfüllen. Bürgerinnen und Bürger wie Regierung in beiden Ländern lassen keinen Zweifel daran, dass sie die europäische Idee zu leben bereit sind, sich schon heute an den gemeinsamen Werten orientieren und sich nach dem Schutz der Gemeinschaft, in Frieden und Freiheit leben zu können, sehnen. Für eine erfolgreiche Osteuropapolitik wollen wir die Voraussetzungen für die Aufnahme der Ukraine, Moldaus und perspektivisch Georgiens schaffen und den Aufnahmeprozess in die EU politisch absichern. Mit der Erweiterung setzen wir ein klares Zeichen gegen die einseitigen Grenzverschiebungen durch Putins Russland, bekennen uns zum gemeinsamen Wiederaufbau der Ukraine und ermöglichen den Menschen, die nach Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie streben, den Zugang zu unserer Wertegemeinschaft.

Europäische Werte als Grundvoraussetzung

Wir werden die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten noch stärker als bisher an unseren europäischen Grundwerten ausrichten und Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in den Vordergrund des Prozesses stellen. Die Kopenhagener Kriterien müssen als Grundvoraussetzung immer erfüllt sein. Wenn grundlegende Prinzipien der EU missachtet werden, muss die EU konsequent sein und den Wertekanon der EU auch gegenüber Mitgliedsstaaten schützen.

Beziehung zu unseren Nachbarn vertiefen

Wir wollen flexibler werden in der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn, denn wir profitieren davon, sie näher an uns zu binden. Dafür erkennen wir neben bereits länger etablierten Kooperationsformen auch das Potenzial der sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft an. Auch unabhängig vom EU-Erweiterungsprozess ist es zentral, Vertrauen aufzubauen und aktiv mit unseren Nachbarn gemeinsame Interessen zu identifizieren, zum Beispiel in den Bereichen nachhaltige Energie, Infrastruktur und Sicherheit.

Auch dem demokratischen Ostseeraum kommt eine wichtige Rolle zu. Er gehört zu den innovativsten und wettbewerbsfähigsten Regionen der Welt. Zu den notwendigen Transformationsleistungen kommen weitere Herausforderungen, die alle Ostseeanrainer gleichermaßen betreffen: der Schutz der Ostsee, das Erlangen von Energieunabhängigkeit, die Neuausrichtung der Sicherheitspolitik, die Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels, die Sicherung der Daseinsvorsorge, insbesondere in den ländlichen Räumen, die zukunftsorientierte Entwicklung der Digitalisierung oder die sichere Nutzung von Künstlicher Intelligenz.

Schlagworte: Vertragsreformen, Mehrheitsentscheidung, Grundwerte, Verstöße, Sanktionen, Transparenz, Einstimmigkeitsprinzip

3. Die Handlungsfähigkeit der EU stärken

Die Erweiterung der Europäischen Union muss mit Vertragsreformen Hand in Hand gehen. Nur eine handlungsfähige und souveräne Europäische Union wird in der Lage sein, neue Mitglieder aufzunehmen. Schon heute – mit 27 Mitgliedsstaaten – erschweren die Entscheidungsprozesse das Vorankommen der Union und ihre Reaktionsfähigkeit in Krisenzeiten. Angesichts globaler Herausforderungen braucht es effiziente demokratische Entscheidungsstrukturen, die der steigenden Komplexität Rechnung tragen. Eine Grundvoraussetzung für die Erweiterung der Europäischen Union ist daher die Umsetzung institutioneller Reformen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Konferenz über die Zukunft Europas, an der sich Tausende europäische Bürgerinnen und Bürger beteiligt haben. Gleichzeitig wollen wir das Fundament – die Werte und Demokratien –, auf denen die Europäische Union gebaut ist, stärken. Die Frage der Rechtsstaatlichkeit ist keine innere Angelegenheit des jeweiligen Mitgliedsstaates, sondern ihre Verletzung ist eine Gefahr für die gesamte Union. Nur wenn die EU es schafft, sich ihrer inneren Demokratiefeinde zu erwehren, kann sie sich auch glaubhaft für ihre Werte in der Welt einsetzen.

Entscheidungsprozesse reformieren

Vetorechte einzelner Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat, die das Vorankommen der Union schon heute behindern und als Druckmittel eingesetzt werden, müssen der Vergangenheit angehören. Ein wesentlicher Bestandteil institutioneller Reformen ist es daher, das Einstimmigkeitsprinzip im Rat, wo es heute noch gilt, durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen abzulösen. Das macht die EU schlagfertiger, handlungsschneller und demokratischer. Wenn ein souveränes Europa unser Anspruch ist, dann sind Mehrheitsentscheidungen ein Gewinn und kein Verlust an Souveränität.

Gemeinsame Werte durchsetzen

Die gemeinsamen europäischen Werte gelten für alle Mitgliedsstaaten – ohne Ausnahme. Wir setzen uns nachdrücklich für den Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der EU ein. Hierzu setzen wir bestehende Schutzinstrumente mit größerer Härte ein und entwickeln neue Instrumente zum Schutz unserer gemeinsamen Werte. So wollen wir bei Rechtsstaatsverstößen Vertragsverletzungsverfahren deutlich konsequenter einsetzen als bisher. Zudem muss der Europäische Rat dringend das Grundwerte-Verfahren des Artikels 7 des Vertrags über die Europäische Union  EU-Vertrag) anwenden und Mitgliedsstaaten, die systematisch gegen Grundwerte verstoßen, das Stimmrecht entziehen. Nur so können wir kurzfristig verhindern, dass zunehmend undemokratische  Mitgliedsstaaten ihre Vetorechte missbrauchen und die Union in Geiselhaft nehmen.

Dafür ist es auch notwendig, das Grundwerte-Verfahren des Artikel 7 EU-Vertrag anzupassen. Das Europäische Parlament braucht mehr Mitspracherechte und im Rat darf es nicht länger möglich sein, dass einzelne Mitgliedsstaaten Sanktionen blockieren können. Zudem fordern wir, dass die EU-Kommission Mitgliedsstaaten vor den Europäischen Gerichtshof bringt, die gegen die Werte aus Artikel 2 EU-Vertrag verstoßen. Künftig sollte es auch nicht mehr möglich sein, dass Staaten, die in schwerwiegender Weise gegen die in Artikel 2 genannten Werte verstoßen, die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Verstöße finanziell sanktionieren

Außerdem braucht es verschärfte finanzielle Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen die gemeinsamen Werte der EU. In den vergangenen Jahren haben wir erreicht, dass Rechtsstaatssündern EU-Gelder vorenthalten werden können. Dieses Mittel müssen wir auf alle Verstöße gegen die Werte des Artikels 2 EU-Vertrag ausweiten, insbesondere auch dann, wenn der Haushalt der Union nicht unmittelbar bedroht ist.  Dabei muss die Europäische Kommission hier in Zukunft konsequenter vorgehen. Schließlich fordern wir eine unabhängige Kopenhagen-Kommission, die überwacht, ob Kommission und Rat die bestehenden Instrumente anwenden.

Europäische Demokratie stärken

Ein zentrales Element für eine Stärkung der europäischen Demokratie ist der Ausbau der Rolle des Europäischen Parlaments als zentraler Ort der Vertretung der Bürgerinnen und Bürger. Hierzu gehört ein echtes Initiativrecht, mit dem die direkt gewählten Volksvertreterinnen und -vertreter Gesetzvorhaben auf den Weg bringen, statt wie bisher nur Vorschläge durch die Kommission einfordern zu können.

Wir werden zudem den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, die Leitung der EU-Kommission durch ihr Kreuz am Wahltag direkt mitzubestimmen, indem wir uns für eine rechtliche Verankerung des Spitzenkandidatenprinzips einsetzen. Wer Kommissionspräsidentin bzw. -präsident werden kann, soll vorher transparent und für alle Bürgerinnen und Bürger ersichtlich feststehen. Dann können die Menschen in der EU die künftige Ausrichtung der europäischen Politik direkt beeinflussen und maßgeblich zur Stärkung der demokratischen Legitimität der Europäischen Union beitragen. Wir vereinen außerdem Kandidatinnen und Kandidaten aus unterschiedlichen Mitgliedsstaaten in einem europäischen Wahlkreis. Diese transnationalen Listen würden die europäische Dimension der Europawahlen stärken und europäische Themen im Wahlkampf in den Vordergrund stellen. Selbstverständlich ist dabei, dass wir uns für paritätisch besetzte Wahllisten einsetzen, damit sich der Frauenanteil in der Gesellschaft auch im Europäischen Parlament widerspiegelt.

"Nur in einer starken und lebendigen Demokratie können Menschen ihre Wünsche und Interessen frei artikulieren und gemeinsam umsetzen."

Europapolitik, die den Menschen zuhört

Die Demokratie ist Garantin für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäischen Institutionen und Entscheidungsprozesse. Nur in einer starken und lebendigen Demokratie können Menschen ihre Wünsche und Interessen frei artikulieren und gemeinsam in der Gesellschaft umsetzen. Die Konferenz zur Zukunft Europas als innovative und partizipatorische Form der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung hat klar den Wunsch nach einer handlungsfähigeren Europäischen Union gezeigt. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Vorschläge auch Geltung in der europäischen Gesetzgebung finden.

Insbesondere wollen wir dem Vorschlag folgen, das Einstimmigkeitsprinzip dort abzuschaffen, wo es bereits heute im Rahmen der bestehenden Verträge möglich ist. Für die Umsetzung einiger weitergehender Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger ist eine Änderung der EU-Verträge notwendig, da sie entweder Politikbereiche betreffen, in denen die EU noch keine Kompetenzen besitzt oder eine Änderung der institutionellen Architektur der EU notwendig wäre. Daher werben wir bei unseren europäischen Partnern für die Einsetzung eines europäischen Konvents.

Durch Transparenz Vertrauen schaffen

Wir wollen sicherstellen, dass Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls getroffen werden, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die EU-Organe zu stärken. Dafür erhöhen wir die Transparenzund Rechenschaftspflicht der EU-Institutionen, indem wir uns für die Einrichtung einer starken europäischen Ethikbehörde einsetzen, die gemeinsame Ethikstandards für alle EU-Institutionen setzt und deren Umsetzung und Einhaltung kontrolliert.

Schlagworte: Vereinte Nationen, Globaler Süden, Menschenrechte, China, Entwicklungszusammenarbeit, Handelsabkommen

4. Internationale Partnerschaften strategisch ausbauen

Ein starkes Europa vernetzt sich in der Welt. Die Europäische Union braucht internationale Zusammenarbeit für ihren Wohlstand und ihre Sicherheit. Deshalb stärken wir die regelbasierte internationale Ordnung, koordinieren uns noch enger mit unseren europäischen Partnern und investieren gemeinsam in strategische Partnerschaften. Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich im Rahmen der G7, der G20 und der Vereinten Nationen bereits erfolgreich für die Zusammenarbeit und die Definition gemeinsamer Interessen mit außereuropäischen Staaten eingesetzt – dieses Engagement führen wir fort und bauen wir aus.

Europa zum Partner erster Wahl machen

Viele Staaten im Globalen Süden haben sich von den Verheißungen liberaler Demokratien abgewendet, weil sie ihre Erwartungen nicht erfüllt sehen. Wir wollen, dass Europa darauf reagiert und mit attraktiven und fairen Angeboten Länder wieder als Mitstreiter für Projekte und Initiativen gewinnt, die gemeinsame Werte und Interessen unterstützen. Ungleiche und neoliberale Machtstrukturen in den Nord-Süd-Beziehungen wollen wir aufbrechen, Menschenrechte stärken, Demokratie und eine nachhaltige Entwicklung fördern. Gradmesser für die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern sind für uns die von der Weltgemeinschaft gemeinsam verabschiedeten 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen.

Friedenssicherung und Friedensförderung

Viele Staaten der Welt sehen in Europa nicht nur einen Partner für Sicherheit und Wohlstand, sondern auch einen Partner für Frieden. Es ist an der Zeit, dass Europa für Friedenssicherung und Friedensförderung mehr Verantwortung übernimmt. Konflikte und Kriege haben oft soziale, ökonomische und ökologische Ursachen. Die gilt es, frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.

Eine feministische Außen- und Friedenspolitik, die alle Mitglieder einer Gesellschaft in den Blick nimmt und auf die Überwindung patriarchaler und postkolonialer Machtstrukturen dringt, ist dafür eine unverzichtbare Grundlage. In Konflikten kommt es strukturell immer wieder zu geschlechtsspezifischer Gewalt und anderen Unterdrückungsmechanismen gegenüber Frauen. Wir setzen uns deshalb für Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen in all ihrer Diversität ein und unterstützen feministische Bewegungen wie zum Beispiel im Iran.

Im Iran kämpfen seit der Ermordung von Jîna Amini durch die iranische Sittenpolizei viele Regimekritikerinnen und Regimekritiker gegen das Mullah-Regime und für ein selbstbestimmtes Leben. Das Mullah-Regime reagiert mit brachialer Gewalt auf diese Proteste, inhaftiert und foltert Protestierende. Alleine in 2023 wurden 600 Menschen durch das Regime hingerichtet. Wir wollen uns mit den mutigen Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfern im Iran solidarisieren und stehen fest an ihrer Seite.

Internationale Kultur- und Bildungspolitik sind weitere gewichtige Faktoren in der Konfliktprävention. Dafür ist es zentral, Zivilgesellschaft einzubinden und vor allem zivile Konfliktprävention umfangreicher zu fördern. Damit investieren wir in nachhaltig positive Erfahrungen mit Europa und fördern Bildungs-, Kultur- sowie Wissenschaftsaustausch. Wir werden uns für eine ausreichende Finanzierung starkmachen.

Transatlantische Partnerschaft stärken

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine lässt die transatlantischen Gemeinsamkeiten so stark hervortreten wie lange nicht. Die USA sind Europas wichtigster Sicherheitspartner weltweit sowie einer der zentralsten Wirtschafts- und Handelspartner. Wir wollen die Handelsbeziehungen weiter vertiefen, indem wir zum Beispiel die Strukturen des EU-US Trade and Technology Councils besser nutzen. Fernziel ist ein gemeinsamer transatlantischer Wirtschaftsraum mit fairen Handelsbedingungen, in dem Industriezölle abgeschafft, Marktzugangsbarrieren für Zukunftstechnologien, besonders der Dekarbonisierung, Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft, abgebaut und gemeinsame Standards festlegt sind.

Gemeinsame Europäische Chinapolitik

China ist für uns Partner, Wettbewerber und Systemrivale. Ohne China sind zentrale globale Herausforderungen nicht zu bewältigen. Die Bedeutung Chinas als wichtiger Absatzmarkt für europäische Unternehmen ist hoch. Gleichzeitig stehen europäische Firmen im Wettbewerb mit chinesischen um Marktanteile und Innovationen – und China arbeitet an einem Umbau des internationalen Systems zu seinen Gunsten. Wir wollen, dass Europa mit einer Stimme für seine Interessen und Werte spricht und fordern deshalb die Entwicklung einer klaren und konsistenten europäischen Strategie für die Beziehungen zu China, die vorhandene Konzepte und Beschlüsse integriert und wenn nötig anpasst. Wir wollen die Zusammenarbeit bei globalen Herausforderungen vorantreiben, die Achtung und universelle Gültigkeit der Menschenrechte fördern und den Multilateralismus stärken. Gleichzeitig brauchen wir eine europäische Resilienzstrategie, die Risiken verringert (De-Risking), auch mit Blick auf den Schutz kritischer Infrastruktur in Europa. Wir müssen unsere Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren, um wirtschaftliche Abhängigkeiten zu minimieren, insbesondere bei der Rohstoff-Beschaffung nach dem Prinzip „China plus eins“, bei dem wir neben China immer auch alternative Lieferanten haben. Dazu gehört auch, dass wir neben dem europäischen Lieferkettengesetz auch den Import von Produkten aus Zwangsarbeit untersagen.

Reform der Vereinten Nationen vorantreiben

Um die Herausforderungen unserer Zeit – Armut, Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Migration, Pandemien, Kriege – zu bewältigen, braucht es globale Antworten. Diese können nur im Rahmen einer regelbasierten internationalen Ordnung entstehen. Wir wollen deshalb gemeinsam auf funktionierende multilaterale Institutionen und internationale Abkommen hinwirken. Die Zusammenarbeit der EU innerhalb der Vereinten Nationen möchten wir weiter verstärken. Wir wollen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen repräsentativer wird. Wir setzen uns deshalb für eine Reform des Sicherheitsrates ein, bei der zunächst der Sicherheitsrat um Nationalstaaten, vor allem des Globalen Südens, erweitert wird.

Für die Europäische Union wollen wir mehr Mitwirkungsrechte in der UN schaffen. Wir wollen zudem die Weltgesundheitsorganisation politisch und finanziell stärken. Als Lehre aus den Pandemie-Jahren wollen wir kurzfristig und dauerhaft eine Kooperation etablieren, die für globale Teilhabe an Technologie, notwendigem Wissen, Daten und Informationen sorgt. Gemeinsam werden wir uns besser auf zukünftige Pandemien und auf die Auswirkungen des Klimawandels auf das Gesundheitswesens vorbereiten.

Entwicklungszusammenarbeit verstärkt europäisch denken

Die EU ist bereits jetzt – zusammen mit ihren Mitgliedsstaaten – weltweit die größte Geberin in der Entwicklungszusammenarbeit und die größte Demokratieförderin. Diese Stellung wollen wir ausbauen – sowohl im Interesse der Partnerländer als auch im eigenen Interesse, denn es ist eine langfristige Investition, um die Agenda 2030 zu erreichen und Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten. Wir stehen zu der Zielvorgabe, mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Ein besonderer Fokus muss dabei auf die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) gesetzt werden. Auch in der Entwicklungspolitik ist uns ein feministischer Ansatz wichtig. Projekte sollen gemeinsam mit unseren Partnern im Globalen Süden und mit besonderem Hinblick auf soziale, ökologische und geschlechterspezifische Ungleichheiten sowie den Kampf gegen den Klimawandel weiterentwickelt werden. Wir setzen uns für eine gemeinsame Ausrichtung unserer globalen Entwicklungszusammenarbeit ein und wollen unsere Kräfte auf europäischer Ebene besser bündeln. Deshalb wollen wir die Rolle des Kommissars bzw. der Kommissarin für internationale Partnerschaften weiter aufwerten und die Aufsichtsfunktion des Europäischen Parlaments stärken, um sicherzustellen, dass entwicklungspolitische Projekte zielgenau umgesetzt werden.

Die Europäische Initiative Global Gateway braucht einen Neustart, auch um eine sichtbare Antwort auf Chinas Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße) sein zu können. Dazu wollen wir die Förderung von Infrastrukturprojekten besser koordinieren und bündeln. Europäische Investitionen in zukunftsrelevante Infrastrukturen müssen aus einem Guss kommen. Wir werden dafür sorgen, dass die Investitionen gemeinsam mit den Partnerländern entwickelt und umgesetzt werden, um nachhaltig und vor Ort wirksam zu werden. Erfolgreiche Projekte, wie der auf dem G20-Gipfel in Neu-Delhi von uns mit unseren Partnern initiierte neue Transportkorridor zwischen Indien und Europa, zeigen die geopolitische Relevanz solcher Offensiven.

"Wir brauchen einen Schuldenschnitt für Länder des Globalen Südens."

Finanzielle Räume für Entwicklung schaffen

Wir setzen uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern für mehr Steuergerechtigkeit, Transparenz und Auskunftsrechte sowie eine globale Mindestbesteuerung ein, damit gerade unsere internationalen Partner ihre erreichte Wertschöpfung für Investitionen in ihre Zukunft nutzen können. Wir befürworten konditionierte Entschuldungsprogramme, bei denen die Ersparnisse des Schuldenschnitts gezielt in soziale und nachhaltige Vorhaben investiert werden. Wir brauchen deshalb einen Schuldenschnitt für die Länder des Globalen Südens, der staatliche, zwischenstaatliche und private Institutionen miteinbezieht.

Wir wollen zudem weitere Investitionspartnerschaften etablieren, um öffentliche und private Investitionen für die Entwicklung von nachhaltigen Wertschöpfungsstrukturen zu bündeln und durch progressive Regulierung sozialökologisches Wachstum zu ermöglichen. Dabei stellen wir sicher, dass das Ziel der Bekämpfung von Ungleichheit im Fokus steht.

Schlagworte: Handel, Rohstoffe, Lieferketten, Schwellenländer, Subventionen, Handelsabkommen

5. Eine neue Ausrichtung für die europäische Handelspolitik

Die nachhaltige Entwicklung Europas und gute Arbeitsplätze in Deutschland hängen maßgeblich vom Handel ab. Gleichzeitig wissen wir: Der neoliberale Traum, dass Handel automatisch zu Wohlstandsgewinnen für alle, politischem Wandel und mehr Sicherheit in der Welt führt, ist ausgeträumt. Wirtschaftliche Mittel werden zudem in unserer globalisierten Welt immer öfter genutzt, um geopolitische Konflikte auszutragen. Wir brauchen deshalb eine progressive Handelspolitik, die die Lebensrealitäten der Menschen verbessert – nicht nur in Europa, sondern auch bei unseren Handelspartnern. Wir wollen ein starkes Europa, das widerstandsfähig ist und wirtschaftspolitische Mittel strategisch einsetzt, um unsere Werte und Interessen zu schützen.

Handelspartner diversifizieren – insbesondere im Bereich Rohstoffe

Die jüngsten Krisen haben deutlich gemacht, dass Europa in sensiblen Bereichen unter einseitigen Abhängigkeiten leidet – sei es bei Importen von Energieträgern, Rohstoffen, seltenen Erden oder Medikamenten. Deswegen wollen wir unsere Handelspartner und Lieferketten diversifizieren und dadurch ein resilientes Europa schaffen, das in zukünftigen Krisen auf sicheren Beinen steht. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Rohstoffen, die für die sozialökologische Transformation zentral sind. Wir brauchen deshalb gleichberechtigte Kooperationen mit rohstoffreichen Staaten. Diese Kooperationen müssen die politischen Interessen und ökonomischen Entwicklungserfordernisse unserer Partner als zentral erachten – beide Seiten müssen von Rohstoffpartnerschaften profitieren. Insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländern muss dabei mehr eigene, lokale Wertschöpfung ermöglicht werden, auch durch gezielte Unterstützung. Dabei achten wir im Sinne des Lieferkettengesetzes darauf, negative Auswirkungen auf Menschenrechte, Umwelt und Klima zu vermeiden.

Durchsetzbare Standards in europäischen Handelsabkommen verankern

Handelsabkommen, die allein den Abbau von Zollschranken und die Liberalisierung von Märkten zum Ziel haben, sind nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen wollen wir umfassende Handels- und Investitionsabkommen, die verbindliche soziale (u. a. ILO-Kernarbeitsnormen, Governance Conventions), menschenrechtliche und ökologische Standards zum Schutz von Beschäftigten und der Umwelt sowie konkrete Beschwerde-, Überprüfungs- und Folgemechanismen enthalten, die wir gemeinsam und auf Augenhöhe mit unseren Handelspartnern umsetzen. Unser Ziel ist es, dass in Zeiten des globalen technologischen Wandels auch digitale Rechte im Handelsabkommen verankert werden. Gleichzeitig halten wir sektorspezifische Handelskooperationen (wie z. B. den US-EU-Handels-und Technologierat) für sinnvoll, um globale Standards zu setzen und strategische Partnerschaften auszubauen.

Kompetenzen und Instrumente im Bereich Geoökonomie ausbauen

Wir setzen uns für eine Europäische Union ein, die ihre Kompetenzen in der Außenwirtschaftspolitik bündelt und souveräne europäische Entscheidungen schützt und verteidigt. Wir wollen unsere Wirtschaftsbeziehungen und Abhängigkeiten fortlaufend, vorausschauend und tiefgehend analysieren, damit wir Risiken frühzeitig erkennen. Außerdem werden wir weiter an einer breiten Palette an geoökonomischen Instrumenten arbeiten, die nötig sind, um auf unterschiedliche Herausforderungen reagieren zu können. Die von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten vorangetriebene Einführung des Handelsinstruments gegen wirtschaftlichen Zwang ist in dieser Hinsicht eine wichtige Ergänzung des Instrumentenkastens. Wir wollen der Europäische Union mit diesen Instrumenten nicht nur die Möglichkeit geben, sich als geopolitische Spielerin zu behaupten, sondern auch, dass sie diese Rolle einnimmt und mit Leben füllt.

"Wir setzen uns für einen freien, gerechten und regelbasierten Welthandel ein."

Internationale Regeln für Handel stärken

Wir setzen uns für einen freien, gerechten und regelbasierten Welthandel ein. Wir wollen die Reform des Streitbeilegungssystems der Welthandelsorganisation sowie die Einbeziehung von Klima- und Menschenrechtszielen in die Regeln und Normen des internationalen Handels vorantreiben. Wir werden uns für eine Aktualisierung des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen einsetzen, um den zunehmenden globalen Subventionswettlauf wirksam zu steuern. Es ist von entscheidender Bedeutung, einen Rahmen zu schaffen, der die Transparenz in Bezug auf den tatsächlichen Einsatz von Subventionen erhöht, was auch ein entscheidender Schritt zur Regulierung dieses Wettlaufs ist.

Schlagworte: Mittelmeer, Seenotrettung, Asylrecht, Flucht, Migration, Integration

6. Eine solidarische Flüchtlingspolitik

Weiterhin sind weltweit sehr viele Menschen gezwungen, ihr Zuhause zu verlassen. Sie fliehen vor Gewalt, Terror und Verfolgung. In überwiegender Zahl suchen sie als Binnenflüchtlinge Schutz in anderen Teilen ihres Landes oder in Nachbarstaaten ihrer Region. Für nicht wenige ist aber auch die Europäische Union der Ort, um endlich Sicherheit und Frieden zu finden. Denn die Gemeinschaft der 27 Mitgliedsstaaten ist trotz vielerlei Herausforderungen weiterhin ein Hort der Rechtsstaatlichkeit und Humanität. In diesem Sinne wollen wir die Europäische Union stärken, damit sie als starke Gemeinschaft eine humanitäre Antwort für die Menschen gibt, die unseren Schutz und Zuflucht benötigen.

Humanitäre Verantwortung wahren

Aus unserer eigenen Geschichte heraus ist das Recht auf Asyl, als Eckpfeiler sozialdemokratischer Politik, fest in unseren Grundwerten verankert und für uns nicht verhandelbar. Für uns besteht kein Zweifel daran, dass wer des Schutzes bedarf, auch Zuflucht finden sollte. Unsere Migrationspolitik beruht deshalb auf dem Grundprinzip der Humanität. Gleichzeitig benötigen wir – um die Zustimmung zu einer am Grundsatz der Humanität ausgerichteten Asyl- und Geflüchtetenpolitik zu erhalten – ebenfalls Ordnung und Steuerung bei der Migration. Ausnahmslos alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union müssen in der Geflüchtetenpolitik ihren europäischen, wie völkerrechtlichen Verpflichtungen selbstverständlich nachkommen. Wir fordern, dass die Verantwortung der Europäischen Union entsprechend der von allen Mitgliedsstaaten unterzeichneten Regelungen und Verpflichtungen auch tatsächlich solidarisch getragen wird.

Ein solidarisches Gemeinsames Europäisches Asylsystem

Es ist gut, dass sich nach jahrelangem Streit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt haben. Diese wichtige Einigungsfähigkeit der Europäischen Union muss sich jetzt in der Praxis beweisen. Wir wollen, dass ein gemeinsames System nicht länger nur auf dem Papier existiert, sondern von allen Mitgliedsstaaten angemessen getragen wird und den schutzsuchenden Menschen in der Praxis Hilfe leistet. Für die SPD gilt dabei unmissverständlich: Das individuelle Menschenrecht auf Asyl und das internationale Flüchtlingsrecht sind die unumstößliche Basis für dieses Gemeinsame Europäische Asylsystem. Das war und ist für uns nicht verhandelbar. Deshalb stellen wir klar, dass ein faires Asylverfahren mit hohen rechtsstaatlichen Standards immer auch in Grenzverfahren gewährleistet sein muss.

Besonderer Schutz für allein reisende minderjährige Geflüchtete und Familien

Wir konnten uns durchsetzen, dass allein einreisende Minderjährige grundsätzlich von einem Grenzverfahren ausgenommen sind. Darüber hinaus haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Ausnahme auch für Familien mit Kindern und weitere vulnerable Gruppen gelten soll. Zwar ist erreicht, dass für Familien mit Kindern in den Grenzverfahren eine kindgerechte Unterbringung gewährleistet werden muss. Aber wir wollen weiterhin, dass Familien mit Kindern, wie auch andere vulnerable Gruppen grundsätzlich von den Grenzverfahren ausgenommen werden. Deshalb ist es gut, dass die Europäische Asylagentur verpflichtet ist, ein besonderes Augenmerk auf die Aufnahme-Bedingungen für diese Gruppen zu richten. Sollte sich zeigen, dass eine kindgerechte Betreuung hier nicht gewährleistet werden kann, so muss umgehend gehandelt und Familien mit Kindern müssen von den Grenzverfahren ausgenommen werden. Das Gleiche fordern wir für andere vulnerable Gruppen, bspw. für queere Schutzsuchende.

Für uns steht die Prüfung des individuellen Asylanspruchs im Vordergrund und nicht die pauschale Kategorisierung nach Herkunftsländern. Wir werden die menschenrechtliche Lage an der EU-Außengrenze ganz genau beobachten. Wir wollen verhindern, dass es zu gravierenden Missständen und zur Entstehung prekärer Lager kommt, damit sich Katastrophen wie in Moria nicht wiederholen.

Rechtsschutz auch in Grenzverfahren gewährleisten

Für uns bleibt es entscheidend, dass auch in Grenzverfahren das uneingeschränkte und individuelle Recht auf Asyl und humanitäre Bedingungen gewahrt bleiben. Schutzsuchende, deren Asylgesuch in einem beschleunigten Asylverfahren geprüft wird, müssen daher regelmäßig die Möglichkeit der Rechtsberatung und Hinzuziehung eines Rechtsbeistands erhalten. Die angestrebten Beschleunigungen im Asylverfahren dürfen keineswegs zu Rechtsschutzeinschränkungen führen. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass Rechtsmittel grundsätzlich eine aufschiebender Wirkung haben.

Wir fordern bei der Gewährleistung des Außengrenzschutzes der EU die Einhaltung aller humanitären und rechtsstaatlichen Vorschriften. Wir stellen klar: Pushbacks sind eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Ein Tolerieren durch oder gar eine Beteiligung von Behörden der Mitgliedsstaaten oder von Frontex darf es unter keinen Umständen geben. Illegale Zurückweisungen müssen unverzüglich eingestellt und sanktioniert werden. Wir unterstützen daher ausdrücklich ein unabhängiges Monitoring aller nationalen Aktivitaten im Kontext Migration und Asyl. Dabei muss insbesondere die Europäische Grenzschutzagentur Menschenrechtsverletzungen aufklären und, wo immer möglich, verhindern. Damit die EU-Außengrenzen rechtsstaatlich und sicher sind, braucht es weiterhin eine umfassende Prüfung der systematischen und strukturellen Probleme der größten EU-Agentur.

Pflicht zur Solidarität

Die beschlossene Pflicht zur Solidarität aller Mitgliedsstaaten ist ein großer Schritt, mit der die Europäische Union als Ganzes ihrer humanitären Verantwortung nachkommt. Dies gilt vor allem für die Mitgliedsstaaten – wie Deutschland –, die in erheblichem Umfang Schutzsuchende aufgenommen haben. Deshalb muss diese Pflicht zur Solidarität aller Mitgliedstaaten fortan durchgesetzt werden. Um dabei insbesondere solidarische Kommunen zu unterstützen, fordern wir auf europäischer Ebene einen zusätzlichen Fonds für die Aufnahme Geflüchteter sowie für notwendige kommunale Infrastruktur.

Hohe Standards und regelmäßige Überprüfung der Sicherheitslage in Herkunftsländern

Aus dem individuellen Asylrecht ergibt sich, dass die Überprüfung der Asylgründe anhand des Einzelfalls erfolgt. Schutzsuchende müssen stets die Möglichkeit haben, effektive Rechtsmittel gegen ablehnende Asylentscheidungen einzulegen. Allgemeine Bewertungen der Sicherheitslage in den Herkunftsländern, die in den Asylverfahren berücksichtigt werden, müssen regelmäßig auf Basis verlässlicher, rechtsstaatlicher Kriterien überprüft werden.

Mehr Wege für legale Arbeitsmigration nach Europa

Viele, die ein Schutzgesuch in der Europäischen Union stellen, haben sich auf den Weg gemacht, um hier zu arbeiten. Es muss klar sein, dass das der falsche Weg ist. Gleichzeitig müssen wir mehr Wege schaffen und aufzeigen, wie man aus Drittstaaten Zugang auf den europäischen Arbeitsmarkt bekommt. Denn vielerorts in Europa gibt es nicht nur (mehr) im hochqualifizierten Bereich einen akuten Mangel an Arbeitskräften. Deshalb wollen wir einen Ausbau der bestehenden Möglichkeiten (bspw. Blaue Karte EU) und eine zügige Harmonisierung der nationalen Zugangsmöglichkeiten. Als Vorbild könnte hier das in Deutschland geschaffene Fachkräfteeinwanderungsgesetz dienen, das sich ausdrücklich nicht nur an Hochqualifizierte richtet. Zudem sollte sich eine von einem Mitgliedsstaat ausgesprochene ordentlich Arbeitserlaubnis grundsätzlich (etwa nach einer bestimmten Frist) auch auf die Möglichkeit erstrecken, in anderen Mitgliedsstaaten arbeiten zu dürfen. Die EU-Visa-Vergabe zu Ausbildungs- oder Qualifikationszwecken wollen wir erleichtern.

"Wir wollen legale Zugangswege für geflüchtete Menschen schaffen."

Sichere und legale Fluchtwege schaffen

Wir wollen legale Zugangswege für geflüchtete Menschen schaffen. Dabei spielt die gezielte Aufnahme von Menschen direkt aus Aufnahmelagern des UNHCR (Resettlement) eine wichtige Rolle. Entsprechende Programme sind bereits freiwillig möglich. Wir wollen, dass diese gut steuer- und kontrollierbare Maßnahme verstärkt genutzt wird. Dabei ist klar, dass wir das individuelle Recht auf Asyl in Europa verteidigen und eine Auslagerung des Asylsystems auf Drittstaaten ablehnen. Auch braucht es sicherere Fluchtrouten, um das Sterben vor allem auf dem Mittelmeer zu verhindern. Deshalb treten wir unter anderem weiter für humanitäre Visa ein: Menschen mit Verfolgungsgeschichte sollen an Auslandsvertretungen der Europäischen Union eine kursorische Asyl-Vorprüfung erhalten, um ihnen hiernach den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer zu ersparen.

Fluchtursachen bekämpfen

Mit Gewalt ausgetragene Konflikte, staatliche Repression, Diskriminierung und massive Menschenrechtsverletzungen, Armut und die Auswirkungen des Klimawandels gehören zu den wichtigsten Auslösern von Fluchtbewegungen. Entwicklungspolitische Maßnahmen, die die Krisenanfälligkeit eines Landes verringern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt verbessern, leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Minderung von Fluchtursachen. Deshalb wollen wir, dass Deutschland verstärkt dabei unterstützt, die politische und wirtschaftliche Situation zu stabilisieren, nach Konflikten zerstörte Strukturen wiederaufzubauen sowie Bildungs- und Beschäftigungschancen zu verbessern.

Wir wollen ein faires Welthandels-, Währungs- und Finanzsystem, das den Globalen Süden nicht übervorteilt, sondern dafür Sorge trägt, dass die Wertschöpfung in den entsprechenden Ländern steigt und damit die Grundlage für ein gutes Leben vor Ort geschaffen wird und erhalten bleibt.

In überwiegender Zahl suchen Menschen als Binnenflüchtlinge oder in Nachbarstaaten in ihrer Region Schutz. In vielen Fällen sind diese Regionen ebenfalls von Konflikten und fragilen Strukturen geprägt. Wir wollen, dass die EU diese Staaten solidarisch unterstützt, die Versorgung der Geflüchteten und Migranten zu stemmen sowie soziale und wirtschaftliche Verteilungskonflikte mit der lokalen Bevölkerung zu verhindern.

Wir setzen uns dafür ein, dass EU-Mittel noch viel stärker dort eingesetzt werden, wo sie wirken und wo Unterstützung dringend notwendig ist: in den Aufnahmeländern, für den Aufbau von langfristigen Strukturen, für Menschenrechtsschutz. Wir fordern, dass mindestens die Hälfte dieser Mittel in langfristige Investitionen zum Schutz und zur Versorgung von Geflüchteten in Aufnahmeländern sowie in den Ausbau von regulären Migrationswegen fließt.

Sterben auf dem Mittelmeer beenden: Seenotrettung und sichere Fluchtrouten

Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Die Seenotrettung ist eine Verpflichtung aus dem internationalen Seerecht. Zivile Seenotrettung, die diese Aufgabe und humanitäre Verantwortung übernimmt, Menschen aus Not zu retten, darf demnach auch nicht kriminalisiert werden und wird weiter von uns unterstützt. Letztendlich wollen wir, dass Seenotrettung innerhalb der EU staatlich gewährleistet wird und sicherere Fluchtwege geschaffen werden.

Kommunen entlasten

Der erfolgreiche Neustart des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems kann nur gelingen, wenn die neuen Regeln überall umfassend umgesetzt werden. Durch die Einführung eines europäischen Integrations- und kommunalen Entwicklungsfonds sollen Städte und Kommunen, die sich bereit erklären Geflüchtete aufzunehmen, bei den Integrationskosten und zusätzlich in gleicher Höhe bei kommunalen Entwicklungskosten finanziell unterstützt werden. In diesem Rahmen sollen die Bürgerinnen und Bürger zudem über die Ausgestaltung der Aufnahme von Geflüchteten mitbestimmen können. Zugleich setzen wir harmonisierte europäische Regeln für den Zugang zu Ausbildung und Arbeit um. Das gilt für eine Ausweitung der sogenannten Blauen Karte EU aber auch für vereinfachte Regeln für längerfristige Aufenthalte in der EU.