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Aktuelles

06.03.2020 | Podkästchen-Mini-Serie zum Frauentag – Teil 3/4

Wie können wir Sorgearbeit umverteilen, Anja Weusthoff?

Anna: Was ist der Frauenrat und was will der Fachausschuss Frauenarbeit erreichen?

Anja: Der deutsche Frauenrat ist die größte Frauenlobby Deutschlands. Dort haben sich über 60 Frauenorganisationen zusammengeschlossen um damit schlagkräftiger auf die Politik einwirken zu können und gute Lobbyarbeit im Interesse von Frauen zu machen. Der Fachausschuss heißt eigentlich Umverteilung von Sorgearbeit. Damit meinen wir im ersten Sinne die Umverteilung von Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. Wir haben einen sogenannten Gender-Care-Gap, also eine Sorgelücke von über 50% zwischen Frauen und Männern, welche es Frauen erschwert, am Erwerbsleben teilzunehmen. Wir wollen Anreize setzen, damit Männer mehr Zeit in die Familie investieren und vom Erwerbsleben entlastet werden. Gleichzeitig sollen Frauen weniger stark in der Sorgearbeit unterwegs sein, um mehr Chancen im Beruf zu haben. Im Fachausschuss beschäftigen wir uns mit der Handlungsempfehlung der Bundesregierung. Wir versuchen die wichtigsten Teile dieser Empfehlung herauszufinden, um die Lücke hinsichtlich Pflege- und Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern zu schließen.

Anna: Welche Handlungsempfehlungen findet ihr am wichtigsten?

Anja: Frauen verrichten mehr als 50% mehr Pflegearbeit als Männer, arbeiten also viel mehr unbezahlt als in bezahlter Erwerbsarbeit. Man muss an verschiedenen Punkten ansetzen, um diese Lücke zu schließen. Wir haben vier Forderungen identifiziert, welche uns besonders wichtig sind, weil sie auch in der Politik schon diskutiert werden und man größere Chancen hat, ein Stückchen weiter zu kommen bezüglich der Umsetzung. Wichtig ist uns die Forderung nach öffentlichen Zuschüssen für haushaltsnahe Dienstleistungen. Wir wissen, dass 70% der Dienstleistungen im Haushalt in Schwarzarbeit erbracht werden, also Kochen, Waschen, Putzen, und wollen das ändern. Dafür soll ein Wirtschaftssektor entwickelt werden, der staatlich gefördert werden soll. Besonders soll dies bedürftigen Menschen dienen, z.B. Alleinerziehenden, die zwischen Erziehung, Erwerbsarbeit und Pflegearbeit zerrissen werden und gute Hilfe gebrauchen könnten. Auch für Familien mit zwei Erwerbstätigen, aber geringem Einkommen, wäre eine Haushaltshilfe eine Unterstützung. Wir fänden das eine gute Sache, wenn der Staat solche Arbeit bezuschussen würde.

Anna: Ihr möchtet "Entgeltersatzleistungen" für Pflegezeiten. Was ist damit überhaupt gemeint?

Anja: Entgelt ist alles, was man für Erwerbsarbeit bekommt, also Lohn, Gehalt, da gibt es verschiedene Begriffe. Wenn Menschen sich um andere kümmern, meistens Frauen, reduzieren sie ihre Erwerbstätigkeit oder geben sie auf und verlieren dadurch an Einkommen. Deswegen macht es Sinn, ihnen einen Ersatz für dieses fehlende Einkommen zu geben, vor allem dann, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit reduzieren und weiter im Beruf bleiben. Das würde eine Situation, für die die Gesellschaft auch mitverantwortlich ist, finanziell zu überbrücken und nicht aus dem Job auszusteigen.

Anna: Und diese Überbrückung würde ich dann sozusagen beantragen?

Anja: Ja, wir stellen uns vor, dass das so ähnlich wie beim Elterngeld funktioniert. Wenn man jemanden pflegen muss und deshalb sich selbst darum kümmert oder professionelle Hilfe organisieren muss, reichen ein paar Urlaubstage nicht aus, weshalb wir für eine solche Ersatzleistung sind.

Anna: Was meint euer Papier in Bezug auf "lebensphasenorientiertes" Arbeiten?

Anja: Neben den Kindern und eventuell der Pflege der Eltern kommt auch noch die Berufsweiterbildung hinzu. Lebensphasenorientiertes Arbeiten bedeutet, dass man am Anfang vielleicht etwas mehr arbeitet und zum Ende hin zunehmend weniger. Wir haben das deshalb in den Vordergrund gestellt, weil viele, wenn sie über Familie und Beruf reden, unflexible Arbeitszeiten beklagen. Man müsste das ändern, indem man Unternehmen verpflichtet, sich mit den Bedarfen ihrer Beschäftigten auseinanderzusetzen. Dahinter liegt nicht nur die Idee, es Frauen zu ermöglichen, sondern es auch Männern zu erleichtern, Sorgearbeit zu übernehmen. Das würde auch dabei helfen, dass Frauen nicht gezwungen sind, immer nur Auszeiten zu nehmen und am Ende dann in die Altersarmut tappen.

Anna: Du bist ja nicht nur im Frauenrat tätig, sondern auch Bundesfrauensekretärin des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Da ist deine Perspektive auf das Thema Care-Arbeit nochmal eine etwas andere. Welche nämlich?

Anja: Das Grundanliegen der Frauen im DGB ist es, dass Frauen eine Möglichkeit zur eigenen Existenzsicherung haben. Die meisten Frauen wollen das, gehen genauso gut ausgebildet ins Erwerbsleben, wie das die Männer tun, stecken aber meistens zurück, wenn es zur Familiengründung kommt. Die Männer fühlen sich für das Einkommen verantwortlich und schwupps ist die Sorgelücke schon da. Für Frauen wird es dann auch schwieriger, wieder in Vollzeitbeschäftigung zu gehen. Als Gewerkschafterin ist es mein Anliegen, dass beide Geschlechter hier gleiche Chancen haben.

Anna: Funktioniert das in deinem Privatleben auch so gut?

Anja: Das ist eine Frage, die ich nicht zum ersten Mal höre. Ideal ist es natürlich nie, aber im Großen und Ganzen funktioniert es eigentlich gut. Mein Mann und ich sind uns da einig gewesen, dass wir zu gleichen Teilen an der Kindererziehung Anteil haben. Ich bin ganz zufrieden.

Anna: Vielen Dank für das Gespräch, Anja.

Anja: Bitte.

Das Gespräch zum Nachhören: