Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) in der SPD setzt auf eine faktenbasierte und nachhaltige Kriminalpolitik.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat vor wenigen Tagen in einer Pressekonferenz eine „Sicherheitsoffensive“ angekündigt, in der u.a. „Messerangriffe“ zukünftig als Verbrechen, also mit einer Mindeststrafe von einem Jahr, sanktioniert werden sollen. Dazu erklären die Vorsitzenden der ASJ, Antje Draheim und Harald Baumann-Hasske:
„Mitglieder der neuen Bundesregierung sollten nicht den Fehler begehen, sich schon zu Beginn ihrer Amtszeit mit Schnellschüssen hervorzutun, die wohlfeil sind, weil sie nichts kosten, aber nachweislich auch nicht die geringste Wirkung auf potenzielle Täterinnen und Täter entfalten. Wir befinden uns nicht im Wahlkampf, sondern in einer Phase, wo gutes, sachorientiertes Regieren gefragt ist.“
„Die Fachleute in der Kriminologie und Verhaltenspsychologie sind sich einig, dass die Erhöhung von Mindeststrafen keinerlei nachweisbaren verhaltenssteuernden Effekt hat“, so Baumann-Hasske. „Wir verhindern also allein durch Strafverschärfungen von gegenwärtig sechs Monaten bis zu zehn Jahren auf ein Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe statistisch keine einzige Straftat.
Aber wir bringen das System unseres Strafrechts aus dem Gleichgewicht: Nicht jede Körperverletzung mittels eines Messers kann dieselbe Mindeststrafe verdienen wie eine schwere Körperverletzung, § 226 Abs. 1 StGB, bei der das Opfer etwa das Augenlicht verliert oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird. Die Strafrahmen des § 226 StGB müssten also ebenfalls nach oben angepasst werden, notwendige Änderungen in anderen Straftatbeständen wären die Folge. Der Bundesgerichtshof erkennt das Skalpell in der Hand eines Arztes während einer OP als ein gefährliches Werkzeug; operierenden Ärzten, die keine wirksame Patienten-Einwilligung haben, droht damit zwangsläufig die Anklage wegen eines Verbrechens. Die Hochzonung jeglichen Einsatzes von Messern zum Verbrechen würde die Einstellung des Strafverfahrens wegen eines Vergehens auch in ähnlichen Fällen unmöglich machen. Jede Bagatelle, bei der ein Messer eine Rolle spielt, müsste als Verbrechen vor dem Schöffengericht verhandelt werden, Strafbefehle wären nicht mehr möglich. Es käme zu einer massiven Mehrbelastung von Justiz und Staatsanwaltschaften.“
Antje Draheim sieht den drohenden Fehlstart der Koalition: „CDU/CSU und SPD haben sich im Koalitionsvertrag vor gerade drei Wochen ausdrücklich auf einen Prüfauftrag geeinigt, ‚inwieweit (…) gefährliche Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines Messers künftig als Verbrechen geahndet werden können.‘ Offensichtlich hat der Bundesinnenminister ohne sachverständige Hilfe innerhalb weniger Tage entschieden, ihn für die Bundesregierung positiv beantworten zu können. Die ASJ fordert, Messerkriminalität mit intelligenteren Maßnahmen zu begegnen als mit dem reflexartigen Ruf nach einer Verschärfung des Strafrechts. Wir fordern den Bundesinnenminister auf, sich vertragstreu zu verhalten und sich am Prüfauftrag des Koalitionsvertrages mit sachverständiger Beratung unter Federführung des BMJ zu beteiligen, aus dessen Ergebnis zielführende Lösungen abgeleitet werden können.“