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1863 | Gründung Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein

Foto: Porträt von Ferdinand Lassalle um 1860
AdsD/FES

23. Mai 1863
Aus einer Bewegung wird eine politische Kraft

1863 wird in Leipzig der "Allgemeine Deutsche Arbeiterverein" gegründet: Die Geburtsstunde der Sozialdemokratie.

Es sind Gesellen, Handwerker, Kleinunternehmer, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkennen: Die liberalen Parteien vertreten nicht unsere Interessen, obwohl auch sie von Demokratie und Freiheit sprechen. Der Ruf nach einem deutschlandweiten Zusammenschluss aller Arbeitervereine, nach der Gründung einer Partei, wird lauter.

Zwar bemühen sich liberale Politiker um die neue Zielgruppe der emanzipierten Arbeiter und Handwerker, doch der politische Liberalismus richtet sich inzwischen nach den Bedürfnissen einer neuen Schicht von Großbürgern. In Frankreich nennt man sie Bourgeoisie, um ihre Abkehr deutlich zu machen von der einst beschworenen Gleichheit aller Bürger, der Citoyens.

Die Arbeiterbewegung formiert sich

In Leipzig, wo schon 15 Jahre zuvor die "Arbeiterverbrüderung" ihren Sitz hatte, treffen sich am 23. Mai 1863 Delegierte aus elf Städten und gründen den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein.

Treibende Kräfte hinter der Initiative sind ein Schuhmachermeister, Julius Vahlteich, und ein Zigarrenarbeiter, Friedrich Wilhelm Fritsche. Womöglich wäre ihr Verein heute vergessen, hätten sie nicht Ferdinand Lassalle für ihre Idee gewonnen. Lassalle war ein Journalist und ein glänzender Redner. Er beschwor die historische Mission der Arbeiterbewegung und stellte die Leipziger Gründung, so bescheiden sie zunächst wirkte, in eine Reihe mit welterschütternden Großereignissen wie der Französischen Revolution:

"Wenn die Revolution von 1789 die Revolution des dritten Standes war, so ist es diesmal der vierte Stand, der 1789 noch in den Falten des dritten Standes verborgen war und mit ihm zusammenzufallen schien, welcher jetzt sein Prinzip zum herrschenden Prinzip der Gesellschaft erheben und alle ihre Einrichtungen mit demselben durchdringen will. (...)

Arbeiter sind wir alle, insofern wir nur eben den Willen haben, uns in irgendeiner Weise der menschlichen Gesellschaft nützlich zu machen. Dieser vierte Stand, in dessen Herzfalten daher kein Keim einer neuen Bevorrechtung mehr enthalten ist, ist eben deshalb gleichbedeutend mit dem ganzen Menschengeschlecht. Seine Sache ist daher in Wahrheit die Sache der gesamten Menschheit, seine Freiheit ist die Freiheit der Menschheit selbst, seine Herrschaft ist die Herrschaft aller."

(Auszug aus Lassalles Arbeiter-Programm)

Wer Lassalle hörte - und die Menschen strömten ihm zu, begriff: Uns geht es nicht nur um die Durchsetzung unserer ureigenen Interessen. Unsere Bewegung, unsere Partei hat - im Gegensatz zu allen anderen - das Ganze im Blick. Ja, es geht um die Durchsetzung von Interessen - der Interessen derjenigen, die sich allein nicht durchsetzen können. Aber zugleich geht es uns um den Ausgleich von Interessenkonflikten, um das große Ganze.

Hautfarbe, Herkunft und Religion spielen keine Rolle

Das meinte, als Deutschland noch in viele Kleinstaaten zerfiel, zunächst: um ganz Deutschland. Eigentlich aber um nichts weniger als die Menschheit.

Dahinter steckt die Vision der Philosophen der Aufklärung. Die Vision einer besseren, einer friedlichen Welt: "Alle Menschen werden Brüder." Einer Welt, die nur Weltbürger*innen kennt, ohne Unterschiede zu machen zwischen Hautfarben, Herkünften, Religionen. Es war diese Vision, die einer anfangs schwachen Bewegung ungeahnte Kraft verlieh und sie durch viele dunkle Tage trug. 

"Von ihrer Entstehung her ist die Sozialdemokratie eine Volkspartei."

(Bernd Faulenbach: Geschichte der SPD, Beck 2012, S. 15)