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1962 | Sturmflut

Foto: Vom Wasser eingeschlossene Bewohner des Hamburger Stadtteils Wilhelmsburg werden mit Booten in Sicherheit gebracht.
dpa

16. Februar 1962
Sturmflut in Hamburg

Eine Sturmflut überrascht Hamburg. 100.000 Hamburgerinnen und Hamburger sind von Wasser eingeschlossen. Doch durch seinen Einsatz kann Schlimmeres verhindert werden: Hamburgs Innensenator Helmut Schmidt. 

Mit Böen bis Windstärke 12 rast der Orkan Vincinette auf die deutsche Nordseeküste zu. Den ganzen Tag über warnt das Radio vor einer sehr schweren Sturmflut. Die Feuerwehr ist in Alarmbereitschaft.

Am Abend steigt das Wasser am Pegel Cuxhaven auf 4,60 m über Normalnull: ein erstes Anzeichen, dass Deiche überspült werden könnten. Dennoch: In Hamburg wird die Gefahr zunächst nicht ernst genommen. Die Nacht bricht an.

Am späten Abend ist klar: Eine Katastrophe rollt auf die Hansestadt zu. Sirenen heulen, Böllerschüsse werden abgefeuert. Doch der Lärm des Sturms ist lauter. Warnungen werden überhört. Niemand koordiniert die Aktionen der Behörden.

Eine Stadt versinkt im Chaos

Samstag, 17. Februar: Am frühen Morgen sind schon mehr als 60 Deiche gebrochen. Im Ortsteil Wilhelmsburg strömt das Wasser in eine tiefer gelegene Laubenkolonie. Hier wohnen noch immer viele im Zweiten Weltkrieg Ausgebombte. Ihre Häuser werden weggespült. In ihrer Not klettern die Menschen auf Bäume, schreien nach Hilfe.

Um 3 Uhr sind rund 100 000 Hamburgerinnen und Hamburger von Wasser eingeschlossen. Alle Rettungskräfte bemühen sich nach Kräften, Menschenleben zu retten. Aber noch immer hat niemand einen Überblick.

Um 6.40 Uhr trifft Innensenator Helmut Schmidt im Polizeipräsidium ein. Er reist die Einsatzleitung kurzerhand und energisch an sich und ruft, ohne Rücksicht auf Vorschriften und Dienstwege, die Bundeswehr und die NATO zu Hilfe. Dabei nützen ihm Kontakte aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter im Verteidigungsausschuss.

dpa

Hamburgs Innensenator Helmut Schmidt verleiht am 3. Dezember 1962 in der Litzmann-Kaserne in Hamburg-Wandsbek die Dankmedaille der Freien und Hansestadt Hamburg an 400 Soldaten für deren Einsatz während der Flutkatastrophe im Februar 1962.

Schmidt übernimmt Verantwortung

Am Vormittag treffen trotz Flugverbots erste Rettungshubschrauber ein. Am Nachmittag kommen niederländische, belgische, britische und US-amerikanische Soldaten zu Hilfe. Inzwischen ist das Hamburger Leitungswasser verseucht.

Am Abend verschafft sich der von Schmidt gebildete Einsatzstab ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe. Bis jetzt sind 22 Tote geborgen worden. Am Montag werden es 119 sein, am Ende 315, darunter fünf Helfer. 15 000 Menschen kommen in Notunterkünften unter.

In der Rückschau herrscht Einigkeit: Nur durch Helmut Schmidts beherzte Übernahme von Verantwortung konnte weit Schlimmeres verhindert werden. Der Hamburger Sozialdemokrat ist jetzt bundesweit bekannt.

Er wird später Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Finanz- und Verteidigungsminister, schließlich (1974-1982) Bundeskanzler. Helmut Schmidt stirbt am 10. November 2015.