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Aktuelles

15.12.2020 | Gastbeitrag von Svenja Schulze

Fünf Jahre Pariser Klimaschutzabkommen: Der Trend ist gesetzt

Svenja Schulze

Klimaschutz ist kein neues Thema. Seit dem alarmierenden Bericht des Club of Rome im Jahr 1972 steht es auf der politischen Tagesordnung. Das ist vielen gar nicht mehr bewusst, auch in der SPD. Willy Brandt hat bereits 1961 Wahlkampf mit dem Ziel gemacht, dass „der Himmel über der Ruhr wieder blau“ werden müsse. Sigmar Gabriel hat später als Bundesumweltminister die sozial-ökologische Industriepolitik formuliert. Und es war die sozialdemokratische Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die 2015 das Pariser Klimaschutzabkommen mitverhandelt und eine weltweite Einigung mit ermöglicht hat. Dieses Abkommen ist jetzt genau fünf Jahre alt. Ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz.

Als das Pariser Klimaabkommen im Dezember 2015 aus der Taufe gehoben wurde, lagen sich Delegierte aus über 190 Ländern unter Freudentränen in den Armen, alle Welt feierte einen historischen Durchbruch: Das Versprechen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken und die Welt in der zweiten Jahrhunderthälfte klimaneutral zu machen.

Die Delegierten in Paris waren sich der Kühnheit ihrer Beschlüsse bewusst: Es ging um den Beginn einer Zeitenwende. Barbara Hendricks hat es damals so formuliert: „Das bedeutet den Abschied von fossilen Energien“. Aber so einig sich alle waren, so wenig war in diesem Augenblick klar, ob und wie die Transformation von jedem einzelnen Staat zu schaffen sein würde.

Wenig später kam die erste existenzielle Bewährungsprobe: Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump kündigte den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Abkommen an und löste weltweit Sorge aus, dass weitere Länder nachziehen würden. Fünf Jahre nach Beschluss des Abkommens hat sich die Welt deutlich verändert. Donald Trump ist inzwischen abgewählt, sein Versuch, den Klimawandel zu leugnen oder kleinzureden ist gescheitert, kein anderes Land ist seinem Beispiel gefolgt und aus dem Abkommen ausgetreten.

Derweil sind überall auf der Welt klimafreundliche Lösungen auf dem Vormarsch. Ein paar Beispiele:

  • Solar- und Windenergie setzen sich durch und werden immer kostengünstiger: Nicht nur Deutschland, etliche andere Länder steigen um auf umwelt- und menschenfreundliche Alternativen. Darunter solche, die bisher als notorische Kohle-Verfechter galten, wie Südafrika und die Philippinen.
  • Die Elektromobilität ist längst keine Nischenlösung mehr, sondern nimmt global an Fahrt auf. In Deutschland hat sich der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen im Vergleich zu 2019 verfünffacht. Immer mehr Länder wollen schon bald nur noch klimafreundliche Autos zulassen. Fern- und Nachtzüge hingegen werden als Alternative wiederentdeckt.
  • Lange schien es, als ob energieintensive Industrien wie Chemie-, Stahl- und Zementwerke für ihre Produktion zwingend Treibhausgase ausstoßen müssen. Aber auch hier macht sich längst die Erkenntnis breit, dass Strom aus Erneuerbaren und grüner Wasserstoff das Geschäftsmodell für die Zukunft sichert. Staatlich geförderte Pilotanlagen zeigen, dass Stahl auch klimaneutral geht.
  • Mit dem Ausstieg von Anlegern und Fonds verliert die Kohle weiter an Boden. Globale Investoren setzen immer stärker auf nachhaltige Geldanlagen: Immer mehr Pensionsfonds und Versicherer, verpflichten sich, ihr Portfolio auf netto-null Emissionen auszurichten.

All diese positiven Entwicklungen haben allerdings bis 2019 – vor Corona – noch nicht dafür gereicht, dass die Emissionen weltweit sinken. Aber sie sind ein guter Anfang, der Trend ist gesetzt. Es wird immer besser verstanden, was mit der Klimakrise wirklich auf dem Spiel steht. Für uns und kommende Generationen. Junge Leute überall auf der Welt fordern ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft ein. Sie mischen sich ein und packen mit an.

Da wundert es nicht, dass sich weltweit immer mehr Länder immer mehr zutrauen im Klimaschutz. Das hat der UN-Klimagipfel zum fünften Jubiläum von Paris noch einmal deutlich vor Augen geführt: Selbst CO2-Rekordhalter China will bis 2060 CO2-neutral werden und hat damit eine globale Dynamik entfacht: Japan, Südkorea, Kanada, Neuseeland und andere streben die Klimaneutralität schon für 2050 an, wie auch Deutschland und die EU. In den USA kehrt mit Joe Biden und Kamala Harris eine ehrgeizige Klimapolitik ins Weiße Haus zurück.

Der Europäische Rat hat pünktlich zum 5-jährigem Jubiläum des Pariser Abkommens entschieden, das Klimaziel für 2030 von bisher 40 Prozent auf mindestens 55 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 anzuheben. Das ist eine sehr gute und wichtige Einigung, für die ich in den vergangenen Monaten hart gearbeitet habe – während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aber auch innerhalb der Bundesregierung. Mit dem neuen Ziel wird das Tempo verdoppelt, mit dem wir die CO2-Emissionen in den 20er Jahren vermeiden wollen.

Das ist gewiss eine Herkulesaufgabe, aber eine, die sich auszahlt. Für Deutschland gibt es damit zusätzliche Hausaufgaben, um das neue Ziel zu erreichen. Klar ist, dass wir es erreichen müssen, denn unsere Zukunft hängt davon ab, unsere Wettbewerbsfähigkeit, unsere Arbeitsplätze, Wertschöpfung, Wohlstand und die gerechte Teilhabe. Deshalb geht es jetzt zum Beispiel:

  • um Investitionen in Zukunftstechnologien wie smarte Strom- und Wärmenetze, in grünen Wasserstoff und in neue Verkehrskonzepte, die immer gefragter werden.
  • um eine Wirtschaft mit geschlossenen Kreisläufen, die unsere Ressourcen schont und Abhängigkeiten verringert.
  • um die Unterstützung für unsere Stahl-, Chemie- und Zementindustrie bei der Umstellung auf grünen Wasserstoff. Das Bundesumweltministerium hat dazu unter anderem ein Förderprogramm zur Dekarbonisierung der Industrie mit rund 2 Milliarden Euro bis 2024 aufgelegt.
  • um den weiteren Ausbau der Elektromobilität, zum Beispiel mit dem BMU-Programm „Sozial& Mobil“ aus dem Konjunkturpaket, das soziale Dienste beim Umstieg auf eine Elektroflotte unterstützt.
  • um eine nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung, ein Thema, das ich mit der „Umweltpolitischen Digitalagenda“ vorantreibe und erstmals auch in der EU auf die Agenda gesetzt habe.

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie steht zurecht aktuell im Mittelpunkt unseres Handelns. Der Kampf gegen den Klimawandel geht jedoch unvermindert weiter. Die Konjunkturprogramme zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind vielfach auf Investitionen in Klimaschutztechnologien ausgerichtet und stärken so den Kampf gegen die Klimakrise. Deutschland hat außerdem mit einem eigenen Klimaschutzgesetz sichergestellt, dass wir es mit der Klimaneutralität bis 2050 ernst meinen und bei Bedarf nachsteuern können. Ein Europäisches Klimagesetz werden wir noch diese Woche beim Umweltministerrat finalisieren. Der Europäische Green Deal und das neue EU-Klimaziel sorgen dafür, dass wir auch zukünftig im europäischen Verbund handeln.

Bei allen berechtigten Sorgen stecken in der Transformation große Chancen für unsere exportorientierte Wirtschaft und unsere Spitzenposition bei den grünen Technologien. Wir zeigen bereits beim Kohleausstieg, wie Strukturwandel mit neuen Perspektiven für die betroffenen Menschen und Regionen verbunden werden kann. Ohne sozialdemokratische Regierungsbeteiligung wäre das nicht gelungen und wird es auch zukünftig keine ausreichende Vertretung der Interessen von Arbeitsnehmer*innen. Es lohnt sich also, die Tradition sozialdemokratischer Umwelt- und Klimaschutzpolitik mit Stolz und Überzeugung und mit neuen Ideen fortzuschreiben.